27.04.2013 Michael Kleiber im Interview mit swim&more

(Quelle: swim & more 03/2013) Der vielfache Masters Europa- und Weltmeister Michael Kleiber (Sparta Konstanz) rückt dieses Jahr in die Altersklasse 50 auf, eine Saison voller Möglichkeiten liegt vor ihm. Im Januar hat er drei Masters Europarekorde in einem Rennen gesetzt: über 400 (4:26,41), 800 (8:57,67) und 1500 Meter Freistil (16:57,60). Wir haben nach seiner Jahresplanung gefragt.

swim&more: Lieber Michael, ein neues Mastersjahr liegt vor dir, wie bereitest du dich darauf vor?

Michael Kleiber: Ich suche mir meist zwei bis drei Höhepunkte raus, so dass ich etwa vier Monate Vorbereitung habe. Ich arbeite viel an den Wochenenden,daher muss ich Termine langfristig planen. Im Winter werde ich von meinem Verein immer noch für die DMS „ausgegraben“. Danach bereite ich mich, wie jetzt im Moment, auf die Deutschen Mastersmeisterschaften der langen Strecken vor (vom 19.-21. April in Wetzlar). Im Sommer versuche ich das eine oder andere Open Water Rennen zu schwimmen, und dann kommen die Europa- oder Weltmeisterschaften. Ich bin kein Vielstarter, sondern bereite mich lieber länger und gezielt auf einen Punkt vor.


Beim Internationalen Masters Schwimmfest in Ingelheim hast du im
Januar drei Europarekorde in einem Rennen aufgestellt. Warst du mit dem Ergebnis zufrieden?

Eigentlich wollte ich Weltrekord schwimmen! Es war aber schon Anfang Dezember abzusehen, dass es nicht reichen würde, da ich auch krankheitsbedingt schlecht in die Vorbereitung gestartet und erst langsam in Form gekommen bin. Es lief besser als erwartet, daher bin ich mit den Zeiten zufrieden.

Hast du einen Überblick, wie viele Europa- und Weltrekorde du schon geschwommen hast?

Nicht wirklich. Ich halte zurzeit noch einen Weltrekord über 1500 Meter Freistil in der Altersklasse 45 auf der kurzen Bahn. Und ich erinnere mich noch gut an das sehr knappe Rennen mit Michael Prüfert (SG Dortmund) bei den Europameisterschaften 2005 in Stockholm über 800 Freistil. Dabei blieben wir beide unter dem alten Weltrekord.

Frisch in der Altersklasse 50, liegen Rekorde und internationale Titel für dich zum Greifen nah. Freust du dich auf ein „fettes Jahr“?

Ich möchte natürlich schon ein paar gute Zeiten vorlegen. Die Europarekorde
über die langen Freistil Strecken sind nicht allzu hart. Anders sieht es mit Weltrekorden aus, die sind ganz schön heftig! Aber motiviert bin ich schon, es zumindest zu versuchen.

Deine Paradestrecken sind trainingsintensiv, wie viele Kilometer legst du in der Woche zurück? Was machst du zusätzlich an Land?

Ich versuche in der Woche 40 Kilometer zu schwimmen. Es gibt Wochen, in denen es beruflich nicht immer möglich ist, und andere, in denen ich auf über 50 km komme. Am Anfang der Vorbereitung nehme ich zwei bis dreimal Krafttraining mit rein und schwimme etwas weniger, im Winter kommt zwei bis dreimal Laufen hinzu.

Ist das viele Schwimmen auf Dauer nicht langweilig?

Laufen ist ein guter Ausgleich zum Kachelzählen. Im Sommer mache ich die langen Strecken auch gerne Mal im See. Und ich wechsle beim Training: einen Tag mehr Freistil, lange Strecken und Serien, dann lege ich einen Lagentag ein, dann einen Delfintag, und zwischendrin trainiere ich mit der Mannschaft.

Denkst du unter Wasser nach? Oder schaltest du ab?

Bei den Ausdauerstrecken denke und träume ich viel! Bei den harten Stehvermögensachen denke ich auch, aber nur: „Wie überleb ich das?“ oder „Eigentlich bist du zu alt für den Blödsinn!“

Wie sind deine Trainingsbedingungen?

Im Sommer gut, es gibt ein 50 Meter Freibad, das ab Ostern öffnet und erst Anfang Oktober wieder schließt, mit langen Öffnungszeiten und meist genügend Platz. Im Winter sind die Bedingungen eher bescheiden, wir haben eine 25 Meter Halle mit einer sogenannten „Schnellschwimmerbahn“, auf der sich oft bis zu acht Badegäste tummeln, daher schwimme ich im Winter lieber im Vereinstraining mit. Leider werden dort nicht vorwiegend Langstrecken zurückgelegt und das Wasser ist sehr wellig.

Du hast auch in der Jugend geschwommen, was waren deine größten Erfolge?

Während des Studiums in Freiburg war ich Sechster bei den offenen Deutschen Meisterschaften über 800 Meter Freistil und stand ein paarmal auf dem Treppchen bei den Süddeutschen Meisterschaften. Außerdem war ich Deutscher Hochschulmeister über 200 und 400 Meter Freistil.

Seit wann schwimmst du im Mastersbereich, und wie kam es dazu?

Das erste Mal bin ich in der Altersklasse 30 bei den Europameisterschaften in Sindelfingen gestartet. Das war eher Zufall, weil es in der Nähe war. Ich lebte damals in Freiburg.

Du bist Arzt und hast Familie, welche Rolle spielt Schwimmen in deinem Leben?

Schwimmen ist ein wichtiger Ausgleich zu meinem Arbeitsalltag, da ich während des Trainings in eine komplett andere Rolle schlüpfe. Beim Schwimmen denke ich selten an die Arbeit. Sicherlich ist das Ausdauertraining auch eine Art Sucht, aber in meinen Augen noch die beste Art von Sucht. Zeitlich ist es manchmal schwer, alles unter einen Hut zu bringen.

Sind Titel und Rekorde wichtig für dich?

Es ist eine Motivation, aber wichtiger ist, dass mir das Training Spaß macht. Wenn es gut läuft und ich das Gefühl habe, ohne größere Anstrengung ein gutes Tempo über längere Zeit zu schwimmen, dann fühlt sich das einfach gut an, wahrscheinlich die Endorphine…

Deine Konkurrenz ist ausgesprochen hoch und das Feld international hervorragend besetzt, was bedeutet Wettstreit für dich? Lust oder Qual?

Konkurrenz ist gut, weil ich dadurch auch im Training eher mal unbeliebte Übungen oder Serien mache. Mir ist aber wichtig, dass ich mich mit meinen Konkurrenten außerhalb des Beckens gut verstehe, wenn Mal der eine, dann wieder der andere gewinnt, und man danach eine gute Zeit zusammen verbringt.

Wie ist deine Perspektive? Wirst du auch mit 75 Jahren noch Rekorde schwimmen?

Solange es Spaß macht, werde ich Schwimmen. Wahrscheinlich werde ich im Wasser sterben! (lacht) Wie lange ich auf Rekordjagd gehe, weiß ich nicht, das hängt ja auch vom Spaß im Training ab... Danke für das Interview und viel Erfolg!

Gesamtberichterstattung
Angela Delissen