Konstanz - Konstanzer Vereine gehen in ihren Anforderungen über die Vorgaben des Sportbundes hinaus und berichten von ihren Erfahrungen.
Schwimmtraining ohne Druck: Trainerin Kathrin Lüer mit jungen Schwimmerinnen und Schwimmern vom Schwimmclub Sparta. Vordere Reihe von links: Dorina und Sara. Dahinter von links: Felix, Tom, Sven, Niklas und Johannes. Bild: Julia Russ Die Geräuschkulisse in der Alten Halle des Hallenbades am Seerhein ist ohrenbetäubend. Das Wasser tost und braust, aufgewirbelt von zwei Schwimmgruppen. Dass die Kinder und Jugendlichen hier nicht nur ein bisschen schwimmen, sondern Leistungssport machen, sieht man sofort. Die Rennmannschaft und die Fördergruppe 1 bereiten sich auf Wettkämpfe vor, unterstützt werden sie von ihren Trainerinnen Arlette Stockburger und Kathrin Lüer, die vom Beckenrand aus Tipps geben.
Beim Schwimmclub Sparta ist Leistung wichtig, aber die Schwimmerinnen und Schwimmer sollen dabei keine Gewalt erfahren. Das klingt so selbstverständlich. Aber Lüer, die seit 15 Jahren hier Trainerin ist und früher selber aktive Schwimmerin war, weiß, das es in jedem Verein oft viel Fingerspitzengefühl und Wachsamkeit erfordert, damit gewaltfreier Leistungssport möglich ist. Dabei bezieht Lüer sich vor allem auf psychische Gewalt: „Oft kommt von Trainern ganz viel Druck." Um das zu vermeiden, wird bei Sparta Wert darauf gelegt, dass die Kinder und Jugendlichen sich ihre Ziele selber setzen. „Ein Kind muss von sich aus sagen, ob es auf die Badischen Meisterschaften möchte oder nicht." Der Wille der Kinder soll im Vordergrund stehen, die Trainer sollen sie nicht überbeanspruchen. „Zum Glück", sagt Lüer, „haben wir Trainer vom Vorstand keine Vorgaben, dass wir eine bestimmte Anzahl von Schwimmern auf die Südbadischen bekommen müssen." Das nehme auch für die Trainer den starken Druck heraus. Oft müssten aber die Eltern gebremst werden.
Um die Sportler zu motivieren, so Lüer, sei Lob das Höchste. Tabus sind für sie demütigende Kritik und Bloßstellung. Falls einmal jemand über das Ziel hinaus schösse, werde in Einzelgesprächen geklärt, was die richtigen Ziele und wo die Grenzen sind.
Auch Mobbing in der Gruppe gehört zu den Formen von Gewalt im Sport, gegen die Trainer einschreiten müssen: „In den Teamsitzungen diskutieren wir auch über dieses Thema", sagt Lüer.
Ein Thema, über das viele nicht gerne sprechen, ist sexualisierte Gewalt im Sport. Doch Lüer findet auch hier ganz klare Worte, wie man diese Gefahr eindämmen kann: „Bei uns gibt es ohnehin kein Einzel-, sondern nur Gruppentraining. Aber auch hier ist ein junger Trainer oder eine junge Trainerin nie alleine mit den Kindern." Bei Fahrten mit Übernachtung kommt eine männliche und eine weibliche Betreuungsperson mit. Sensibilität ist auch bei Hilfestellungen gefragt, um die individuellen Gefühle von Kindern nicht zu verletzen. Besonders wachsam reagiert sie, wenn Jugendliche sich unter der Dusche durch sexistische Bemerkungen gegenseitig verletzen. Zudem dürfen Männer in keinem Fall die Damendusche betreten und umgekehrt − auch nicht Väter, um ihren Töchtern beim Umziehen zu helfen.
Der Verzicht auf Gewalt im Sport, sei sie physischer, psychischer oder sexualisierter Art, ist ein wesentlicher Punkt des Ehrekodexes, den der Deutsche Olympische Sportbund 2011 herausgegeben hat. Seit 2012 muss ihn jeder unterschreiben, der eine Trainerlizenz erwerben möchte. Für alle, die ohne Lizenz bei Training mitwirken, ist die Unterzeichnung freiwillig. Bei Sparta haben alle unterschrieben, die mit dem Training zu tun haben. Auch aushelfende Eltern.
Genauso beim Polizeisportverein: Der ganze Vorstand und die Trainer, insgesamt 26 Personen, haben den Ehrenkodex unterzeichnet und sogar freiwillig Führungszeugnisse vorgelegt. Alle drei Jahre soll letzteres wiederholt werden. „So können wir ausschließen, dass hier jemand als Trainer arbeitet, der in diesem Bereich schon einmal aufgefallen ist", so der Vorsitzende Norbert Heinrich. Darüber hinaus findet er es schwierig, präventive Maßnahmen zu ergreifen: „Solche Neigungen sieht man ja niemandem an."
Der Vorstand des Turnvereins Konstanz möchte in der nächsten Hauptversammlung zur Abstimmung stellen, dass auch Trainer ohne Lizenz den Ehrenkodex unterschreiben müssen − angeregt durch die Recherche des SÜDKURIER. 70 bis 80 Prozent der Trainer, so der Leiter der Geschäftsstelle Bernhard Balschbach, hätten ihn durch den Lizenzerwerb aber ohnehin schon unterschrieben. Außerdem möchte der Vorstand zwei Ansprechpartner benennen, an die Mitglieder sich wegen Fragen zum Thema sexualisierte Gewalt wenden können. Zwei der Vorschläge, die der DOSB in seinem Handlungsleitfaden zur Prävention von sexualisierter Gewalt nennt, wären damit erfüllt.
Vorgaben des Verbands
Der Ehrenkodex: Der DOSB beteiligt sich mit dem Kodex an einem Aktionsplan der letzten Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. Er thematisiert nicht nur sexualisierte Gewalt, sondern auch respektvollen Umgang mit Schutzbefohlenen im Sportverein allgemein.
Der Handlungsleitfaden: Damit es nicht bei einer reinen Formalie bleibt, veröffentlichte der DOSB einen Handlungsleitfaden. Hier werden Präventionskonzepte vorgestellt. Laut einer Evaluation hatte 2013 ein Drittel der Sportvereine bundesweit Ansätze verwirklicht. Außerdem müssen seit 2012 Hauptamtliche im Jugendbereich ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Infos im Internet:
www.bsb-freiburg.de/Sportwelten Quelle Südkurier